Die Göttliche Mathematik der Natur

Woher haben die Baumeister der kunstvoll gewendelten Schneckenhäuser ihre genialen Baupläne? Woher kennt die Sonnenblume die komplizierten mathematischen Zahlen-Verhältnisse, nach denen sie die Kerne ihrer Frucht spiralförmig angeordnet?

Kaum geringer, als die Fähigkeit der Zugvögel, über zigtausend Kilometer ohne Kompass zielgenau ihr Nest zu finden, ist die Präzision, mit der die Sonnenblume ihre Kerne in Spiralen aufbaut, beeindruckend zu nennen. Immer sind es entweder 34 und 55 – oder 89 Kerne, die sich spiralförmig winden. Die Spiralen großer Sonnenblumen zählen sogar 144 Sonnenblumenkerne in ihren Fruchtständen. Und so mag man mit Fug und Recht fragen, woher die Pflanzen ihre Rechenkünste haben?

Ob beim Blattaufbau eines Gänseblümchens, der Konstruktion eines Kiefernzapfen oder bei der Kaninchenpopulation: immer wieder taucht eine mystische Zahlenfolge auf:

1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144 …

In diesem Zusammenhang sei nebenbei auf eine der Besonderheiten der Zahl 144 hingewiesen: sie ist als die zwölfte Fibonacci-Zahl zugleich die zwölfte Quadratzahl – und somit nicht nur die Schnittstelle dieser beiden bedeutsamen Zahlenreihen, sondern zudem eine, in vielen geheimnisvollen Gleichungen der göttlichen Mathematik verwendete Symbolzahl.

Wir ahnen, Kraft wessen die Zugvögel ihr Nest wieder finden und die Sonnenblumen sich nie verzählen bei der Anzahl der Spiralen in ihren Fruchtständen. Diese Zahlenproportionen entsprechen nicht irgendeinem statistischen Mittelwert einer Zufallsstreuung, sondern einer exakten mathematisch-geometrischen Ordnung.

Leonardo von Pisa, besser bekannt als Fibonacci, der um 1200 mit seinem Werk „Liber Abaci“ die indische Rechenkunst in Europa bekannt machte und die heute übliche arabische Schreibweise der Zahlen einführte, brachte auch hinsichtlich der Beantwortung der Frage, woher den Pflanzen und Tieren ihre mathematischen Fähigkeiten kommen, Licht ins mittelalterliche Wissensdunkel des Abendlandes. Ihm dankt die Wissenschaft das mathematische Gesetz der nach ihm benannten „Fibonacci-Reihe“: Jenes immer wiederkehrenden Zahlenverhältnis, das in der biologischen und kosmischen Ordnung, wie in weltwirtschaftlich ökonomischen Systemen vielfache Anwendung findet.

Die `Fibonacci-Reihe´ ergibt sich aus einer einfachen Regel:

Addiert man die letzten beiden Zahlen, erhält man die Nächsthöhere.“

1 plus 2 ergibt 3; zwei plus drei ergibt 5; 3+5=8; 5+8=13 und so fort. Je weiter die Fibonacci-Reihe gegen Unendlich fortgesetzt wird, desto mehr nähert sich das Verhältnis zwischen zwei Nachbarzahlen dem Wert des Goldenen Schnittes (1 : 1,618) an.

Dass im Übrigen auch Leonardo von Pisa diese Erkenntnis nicht vom Himmel gefallen ist – sondern eine Erinnerung an das fast vergessene Ganzheitliche Weltbild war, versteht sich aus der geschichtlichen Herleitung dieses Themas von selbst.

Auf seinen Reisen, die ihn bis nach Indien und Ägypten führten, wird Fibonacci von diesen Zusammenhängen erfahren haben.

Denn auch der indische Dichter Acharya Hemachandra (1089–1172) beschreibt diese geheimnisvolle Zahlenfolge, die – neben ihrer Bedeutung für die Natur in ihren anorganischen, pflanzlichen und tierischen Reichen – ebenso bedeutsam für den Rhythmus der Sprache ist. Denn aus ihr ergibt sich – in der Verteilung von kurzen und langen Silben – für die Dichtkunst ein logisches Metrum. Somit erweist sich dieses mystische Zahlenverhältnis nicht nur als Maßband der Natur, sondern zugleich als Parameter menschlicher Kultur.

Bereits im sechsten Jahrhundert wies der indische Dichter und Mathematiker Virahanka auf diese Zusammenhänge hin. Und noch früher finden sich unter dem Namen `maatraameru´ („Berg der Kadenz“) in der Chhandah-shāstra („Kunst der Silbenbetonung“) des indischen Musikers und Philosophen Pingala (um 450) Hinweise auf die Bedeutung dieser geheimnisvollen Zahlenreihe.

Es sollte jedoch wundern, wenn nicht noch wesentlich ältere Zeugnisse von diesen ganzheitlichen Beziehungen in einem der Bücher aus vorchristlicher Zeit zu finden gewesen wären, wenn sie dem Brand der damals größten Bibliothek der Welt – Alexandria in Ägypten – entgangen wären.

Damals – 642 – ließ der Kalif Umar Ibn al-Chattab bei der Eroberung Alexandriens alle dort gesammelten Schriften der Menschheit verbrennen, weil nach islamistischer Auffassung die übrigen Bücher sowieso nur das wiederholten, was bereits im Koran geschrieben stände.

Weil sie folglich überflüssig waren, verbrannte man diese unersetzlichen Handschriften zur Beheizung der öffentlichen Bäder.

978-3-347-47751-3 (Paperback)

978-3-347-47775-9 (Hardcover)

978-3-347-47776-6 (e-Book)

Verlags GmbH Hamburg

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