Zu der Beziehung zwischen Mathematik und Musik schreibt der Komponist Jean-Philippe Rameau (1683–1764):
”Trotz aller Erfahrungen, die ich durch den langen Umgang mit der Musik erlangt habe, muss ich zugeben, dass mir erst mit Hilfe der Mathematik meine Ideen klar werden.“
Damit drückt er genau das aus, was auch Pythagoras gedacht haben mag, als er mittels einer über einen Resonanzkörper gespannten Saite – dem Monochord – die mathematische Beziehung von Zahl und Klang herausfand.
Denn nicht Aristoxenos, der sich die Ergebnisse der pythagoräischen Experimente in seiner Musiktheorie zu eigen machte, fand die Zahlen-Verhältnisse (Intervalle) der schwingenden Saite.
Pythagoras war es, der – auch wenn es wahrscheinlich viel früher schon Harmoniker gab, denen diese Zusammenhänge bekannt waren – sie wiederentdeckte.
Mit Hilfe eines beweglichen Steges veränderte er bei gleich bleibender Saitenlänge und Saitenspannung die Tonhöhe. Er erkannte, dass sich die harmonischen Intervalle aus ganzzahligen Proportionen ergeben:
Bei Verkürzung der Länge der Saite auf die Hälfte, erklingt die Oktave des Grundtons, bei der Teilung der Saitenlänge auf zwei Drittel die Quinte, bei der Proportionierung auf drei Viertel die Quarte usw.
So offenbarten sich ihm nicht nur die verhältnismäßigen Beziehungen zwischen Quantität und Qualität, sondern auch die Töne als verkörperte Zahlen und die Zahlen als verkörperte Töne.
Der Pythagoräer Philolaos von Kroton (um 470-390 v.Chr.) drückt es so aus:
”In der Tat hat alles, was erkannt wird, Zahl; denn, dass sich ohne diese irgend etwas denken oder erkennen lässt, ist nicht möglich.“
Diese Erkenntnis wurde für die Pythagoräer zur Grundlage ihrer Philosophie von einer göttlichen Ordnung, die durch die ethische und soziale Ordnung der Menschen nachzubilden sei. Für sie war die Sphärenharmonie real. Denn wenn alles Zahl ist, dann bewies das Monochord, dass auch alles Klang ist.
Doch der Folgerung, dass in den regelmäßigen Bewegungen der Himmelskörper und ihren Proportionen zueinander die selben harmonikalen Gesetzmäßigkeiten wirken, wie in der schwingenden Saite des Monochords, mochte Aristoxenos nicht folgen, weil man die Schwingungen der Weltkörper schließlich nicht höre. Schade eigentlich, denn so wurde die menschliche Wissenschaft einmal mehr für Jahrtausende taub für die Harmonien der Sphären, von denen – schon lange vor Pythagoras – zum Beispiel auch die Veden der Inder und die chinesische Überlieferung zeugten.
Dabei hätte ein kleines Experiment Aristoxenos eines Besseren belehren können: Der surrende Klang einer an einem Faden befestigten Kugel, die man um sich rotieren lässt, hätte ihn vielleicht doch von der Existenz einer kosmischen Sphärenharmonie überzeugen können.
Denn, wenn schon eine an einen Faden gebundene rotierende Kugel, je nach Durchmesser und Geschwindigkeit auf ihren Kreisbahnen Klänge erzeugt – wie viel mehr die sehr viel größeren Kugeln der Weltkörper, die in ungleich viel höheren Rotationsgeschwindigkeiten kreisen?!
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